Verlustverrechnung bei Aktienverkäufen
veröffentlicht am 12.09.2021
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) angerufen, weil er die Beschränkung der Verlustverrechnung für Verluste aus Aktienverkäufen für verfassungswidrig hält. Im Gegensatz zu anderen Verlusten aus Kapitalvermögen können Verluste aus Aktienverkäufen nämlich nur mit Gewinnen aus Aktienverkäufen verrechnet werden. Der BFH sieht hierin eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung, für die es keinen hinreichenden sachlichen Grund gibt.
Hintergrund: Verluste aus der Veräußerung von Aktien dürfen nur mit Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien verrechnet werden, nicht aber mit anderen positiven Kapitaleinkünften oder anderen Einkünften. Andere Verluste aus Kapitalvermögen wie z. B. Darlehensverluste können dagegen mit anderen positiven Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden, ebenfalls aber nicht mit anderen Einkünften, z. B. aus Gewerbebetrieb; denn Kapitaleinkünfte unterliegen i. d. R. einem speziellen Steuersatz, nämlich der Abgeltungsteuer von 25 %.
Sachverhalt: Die Kläger sind Eheleute. Der Ehemann erzielte im Jahr 2012 Verluste aus Aktienverkäufen in Höhe von 4.819 € und positive Kapitalerträge i. H. von 2.092 €. Die Ehefrau erzielte positive Kapitalerträge i. H. von 1.289 €, erlitt aber keine Verluste aus Aktienverkäufen. Die Kläger beantragten die Verrechnung der Verluste aus den Aktienverkäufen mit den positiven Kapitalerträgen. Dies lehnte das Finanzamt ab.
Entscheidung: Der BFH hat nun einen Vorlagebeschluss an das BVerfG gerichtet:
Nach der derzeitigen Gesetzeslage können die Aktienverluste nicht mit den positiven Kapitalerträgen des Ehemannes verrechnet werden, weil eine Verrechnung nur mit Aktiengewinnen möglich ist; der Ehemann hat aber keine Aktiengewinne erzielt.
Das Gesetz, das eine Verrechnung von Aktienverlusten nur mit Aktiengewinnen zulässt, verstößt gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes und ist daher verfassungswidrig. Denn Verluste aus Aktienverkäufen werden schlechter behandelt als andere Verluste aus Kapitalvermögen. Hierfür gibt es keinen hinreichenden sachlichen Grund:
- Soweit der Gesetzgeber befürchtet, dass bei einem Börsencrash die steuerlich geltend gemachten Aktienverluste den Finanzhaushalt beeinträchtigen könnten, ist dies ein rein fiskalischer Grund, der es nicht rechtfertigt, den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu durchbrechen. Außerdem ist es nicht realitätsgerecht anzunehmen, dass bei einem Börsencrash genügend andere Kapitalerträge entstehen könnten, mit denen eine Verrechnung möglich sein könnte.
- Zudem ist es nicht realitätsgerecht, dass der Gesetzgeber die Beschränkung der Verlustverrechnung nicht bei indirekten Aktienanlagen wie Aktienfondsanteilen, Aktienzertifikaten oder -optionen anordnet.
- Weiterhin ist es verfassungsrechtlich nicht zu akzeptieren, dass die Beschränkung der Verlustverrechnung von Aktienverlusten auch dann gilt, wenn es keinen Börsencrash gibt.
- Die Beschränkung der Verlustverrechnung kann nicht mit der Notwendigkeit zur Verhinderung missbräuchlicher Steuergestaltungen gerechtfertigt werden. Insbesondere steht es dem Steuerpflichtigen frei, Verluste aus Aktien dann zu realisieren, wenn er den Verlust steuerlich optimal nutzen kann, weil er andere positive Einkünfte aus Kapitalvermögen hat.
- Die Beschränkung der Verlustverrechnung kann auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass Spekulationsgeschäfte verhindert werden sollen. Denn erfasst werden auch Verluste aus langfristig gehaltenen Aktien und damit nicht-spekulative Aktienanlagen.
Hinweis: Die Entscheidung liegt nun beim BVerfG, das als einziges Gericht Gesetze für verfassungswidrig erklären darf. Der Ausgang des Verfahrens hat erhebliche Bedeutung für Kapitalanleger, weil sie im Fall der Verfassungswidrigkeit ihre Verluste aus Aktiengeschäften mit Dividenden oder Zinsen verrechnen könnten.
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